Volkshaus Unionsaal
Rebgasse 12–14 4058 Basel
Veranstaltungsarchiv
Freitag, 18.11.2022
Volkshaus
Tsitsi Dangarembga: Verleugnen
Tsitsi Dangarembga, Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2021, ist eine der grossen Stimmen Simbabwes: Ihr Roman Überleben (Orlanda, 2021) stand 2020 auf der Shortlist für den Booker Prize. Nun erscheint als letzter der Tambudzai-Trilogie der zweite Teil auf Deutsch. In Verleugnen (Orlando, 2022) knüpft sie an die Geschichte der Protagonistin an: Tambu ist am College, das eine kolonial-christlich geprägte Missionsschule ist. Mit Bestnoten und dem Verleugnen ihrer Schwarzen Identität kämpft sie um eine Anerkennung, die ihr nicht zugestanden wird. Dangarembga erzählt «vom Schwarzsein in einer viel zu weissen Welt, auch wenn hier (…) die weisse Welt tatsächlich in Afrika liegt» (The Guardian), und von einer jungen Frau, die in diesem Spannungsfeld versucht, erwachsen zu werden.
Sprache: Deutsch/Englisch
Radio X Interview mit Tsitsi Dangarembga:
Autorin: Tsitsi Dangarembga
Moderation: Ana Sobral
Lesung: Nicole Coulibaly
Samstag, 19.11.2022
Volkshaus
Die Ukraine und Europa: Vergangenheit und Zukunft eines komplexen Verhältnisses
Die Geschichte der Ukraine zwischen West und Ost ist wechselvoll und blutig. Grossmächte wie Russland, das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn, Polen und die Sowjetunion setzten ihre Machtansprüche immer wieder mit Gewalt durch. Wie haben diese Ereignisse das Land geprägt? Welchen Platz nahm und nimmt die Ukraine in Europa ein? Seit zwanzig Jahren äussert das Land die Absicht, der Europäischen Union beizutreten. Brüssel verwies jedoch auf die Notwendigkeit innenpolitischer Reformen. Mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs wurde die enge Anbindung an Europa als dringlich angesehen und die Ukraine ist mittlerweile EU-Beitrittskandidatin. Wie sind die Zukunftsaussichten, wenn der Krieg vorbei sein wird? Welche strukturellen und politischen Herausforderungen erwarten das Land und Europa?
Der Talk zum Nachhören (Radio X):
Autor: Juri Andruchowytsch
Historikerin: Olha Martynyuk
Historiker: Frithjof Benjamin Schenk
Moderation: Judith Huber
Volkshaus
Klaus Merz & Sandro Zollinger: LOS
Auf seiner Suche nach Halt bricht Peter Thaler zu einer Wanderung in die Berge auf. Er wird nicht mehr zurückkehren. Beruhend auf einer wahren Begebenheit erzählt Klaus Merz in LOS (Haymon Verlag, 2005) vom Abschiednehmen, dem alltäglichen und dem endgültigen. Der Filmemacher Sandro Zollinger hat ausgehend von dieser Geschichte eine neue virtuelle Welt geschaffen. Aus der Erzählung LOS wurde eine Symbiose aus Literatur und Virtual Reality. Es erwartet Sie eine literarische Erfahrung, irgendwo zwischen Lesung, Kino und Zukunft. Wo: vor dem Unionsaal im Volkshaus.
Vorführungen starten jeweils um:
11 Uhr
12 Uhr
13 Uhr
14 Uhr
15 Uhr
16 Uhr
Freier Eintritt
Radio X Interview mit Sandro Zollinger:
Autor: Klaus Merz
Filmemacher: Sandro Zollinger
Volkshaus
Sprache entgrenzen
In der Gegenwartsliteratur gibt es immer mehr poetische und formale Entgrenzungen: Syntax und Grammatik bestimmen nicht mehr als einzige Parameter das Zusammenspiel von Buchstaben und Sätzen und das spielerische Aufbrechen von Sprachgrenzen ist längst Teil einer vielstimmigen und vielsprachigen «Deutschen Literatur». Wie kann Sprache und Literatur anders gedacht werden? Wie können Wörter zugunsten eines grösseren Bedeutungsraums benutzt, verformt und übersetzt werden? Senthuran Varatharajah zerschneidet in Rot (Hunger) die Wörter, lässt Trennstriche weg und verstümmelt Zeilen. Svenja Viola Bungarten schreibt von Anfang an vielstimmig; nämlich in Kollektiven. Und Tomer Gardi veröffentlicht seine Romane in «Broken German», in dem Artikel frei verwendet werden, Präpositionen fehlen und es Rechtschreibfehler bis ins gedruckte Buch schaffen. Mit der Literaturwissenschaftlerin Christine Lötscher diskutieren sie über das Entgrenzen von Sprache.
Radio X Interview mit Svenja Viola Bungarten:
Autor: Senthuran Varatharajah
Autorin: Svenja Viola Bungarten
Autor: Tomer Gardi
Moderation: Christine Lötscher
Volkshaus
Mohamed Amjahid: Let’s Talk About Sex, Habibi
Da, wo Orientalismus, Sexualisierung und Fetischisierung aufeinandertreffen und sich gegenseitig bestärken, setzt Mohamed Amjahids Let’s Talk About Sex, Habibi (Piper, 2022) an. Berührend, ehrlich, intim und deutlich zeigt er auf, wie viele Menschen aus einer westlichen Perspektive stereotypisiert werden. Tausendundeine Nacht okay, aber wie rassistisch ist der europäische Umgang damit? Orgien am Fusse des Atlasgebirges, Liebeszauber und Salafisten, die gegen ihre Überzeugungen überteuerte Kondome verkaufen, aber auch toxische Männlichkeit, religiöser Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt: Amjahid macht die Diversität und die Konflikte der Schlafzimmer Nordafrikas zum Inhalt seines Buches und stösst das Othering mehr und mehr von der Bettkante, bis es auf den Boden knallt und Habib(t)i nicht mehr neben ihm liegt.
Radio X Interview mit Mohamed Amjahid:
Autor: Mohamed Amjahid
Moderation: Hannan Salamat
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Body Politics: FINTA*-Körper als Spielfeld reaktionärer Politiken
Mit der Abschaffung des Rechts auf Abtreibung in den USA haben die politischen Kämpfe, die auf Körpern von FINTA*-Personen ausgetragen werden, einen neuen Höhepunkt erreicht – und sie hat gezeigt, wie brüchig unsere feministischen Errungenschaften sind. Die Kontrolle von Reproduktion ist ein zentrales Spielfeld fundamentalistischer Politik, aber sie zeigt sich auch in Angriffen auf rassifizierte und auf trans Körper, z.B. über das Verwehren von medizinischen Leistungen und über transfeindliche Gesetze. Auf dem Podium werden die verschiedenen Schauplätze diskutiert und darüber nachgedacht, welche Mittel und Allianzen es braucht, um gemeinsam diesen Kräften entgegenzutreten.
FINTA* steht für Frauen, intergeschlechtliche Personen, nichtbinäre Personen, trans Personen und agender Personen.
Sprache: Englisch
Der Talk zum Nachhören (Radio X):
Autor*in und Aktivist*in: Laurie Penny
Wissenschaftlerin: Paula-Irene Villa Braslavsky
Musiker*in und Aktivist*in: Brandy Butler
Moderation: Franca Schaad
Volkshaus
Festung Europa
Jedes Jahr sterben Tausende Menschen an den Aussengrenzen Europas. Dass das ausführende Organ der EU, die Frontex, dabei auch illegale Praktiken anwendet, ist längst bekannt. Trotzdem wurde eine Aufstockung der finanziellen Mittel der Frontex auch in der Schweiz deutlich befürwortet. Die rasche und unkomplizierte Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine in den meisten Staaten Europas und der mit vielen Rechten ausgestattete Schutzstatus S in der Schweiz haben gezeigt, dass ein humanerer Umgang mit Menschen auf der Flucht möglich ist. Gleichzeitig haben sie auch schmerzlich verdeutlicht, wie stark die europäische Asylpolitik von rassistischen Logiken geprägt ist. Wie könnte ein gerechterer Umgang mit migrierenden Menschen aussehen? Und was können wir als Zivilgesellschaft dafür tun?
Der Talk zum Nachhören (Radio X):
Autor, Aktivist: Mohamed Amjahid
Aktivistin Migrant Solidarity Network: Selam Habtemariam
Autor*in, politische*r Geograf*in: Sinthujan Varatharajah
Moderation: Carlos Hanimann
Volkshaus
Juri Andruchowytsch: Radio Nacht
Juri Andruchowytschs Werke wurden in 20 Sprachen übersetzt und unter anderem mit dem Hannah-Arendt-Preis und dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet. Radio Nacht (Suhrkamp, 2022) erzählt von einem Protagonisten mit unklarer Identität, der mit seiner Geliebten Animé und dem Raben Edgar nach seiner Haft nach Griechenland flieht. Später beginnt er Radio zu machen und sendet Nacht für Nacht Geschichten, Poesie und Musik in den Äther. In Andruchowytschs neustem Roman sind die Figuren mit aktuellen Fragen konfrontiert: Klimaproteste, Pandemie und die Bedrohung der Ukraine durch Russland. Gibt es noch Hoffnung auf radikale Veränderung?
Autor: Juri Andruchowytsch
Moderation: Anna Hodel
Volkshaus
«Ist das ein Mensch?» Ein Abend gegen das Vergessen
Die offizielle Erinnerungspolitik und das mahnende «Nie wieder», das im Rückblick auf die Zeit des Nationalsozialismus aufgerufen wird, werden mehr und mehr zu inhaltsleeren Ritualen. Es fehlen dichte Beschreibungen und konkrete Geschichten, die vermitteln, was die Shoah tatsächlich bedeutete. Auschwitz droht zur blossen Chiffre zu werden, ohne Vorstellung von den Mechanismen der Entmenschlichung und der Vernichtung. Auch die (Dis-)Kontinuitäten zu heutigen Formen von Rassismus und Antisemitismus bleiben im Dunkeln. Mit Texten von Überlebenden geben Carolin Emcke, Lena Gorelik und Maryam Zaree denjenigen eine Stimme, die das Lager erlebt und beschrieben haben. Ihre Berichte richten sich an die Nachgeborenen, sie erzählen von der Gewalt, aber auch von Widerstand, Freundschaft und der Ethik des Erinnerns.
Mit Textstellen aus:
- Jenseits von Schuld und Sühne von Jean Améry, GW Band 2, Stuttgart 2002 © Klett Cotta
- Une connaissance inutile (Trilogie, Auschwitz und danach) von Charlotte Delbo, aus dem Französischen von Elisabeth Thielicke, Eva Groepler, © 1990 Stroemfeld/Roter Stern, Basel/Frankfurt am Main, Original © 1970, Edition Minuit
- SORSTALANSAG (Roman eines Schicksallosen) von Imre Kertész, aus dem Ungarischen von Christina Viragh, Berlin 1996 © Rowohlt Berlin
- weiter leben von Ruth Klüger, Göttingen 1992 © Wallstein Verlag
- Ist das ein Mensch? von Primo Levi, aus dem Italienischen von Heinz Riedt ©1988, Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München
- L'Ècriture ou la vie (Schreiben oder Leben) von Jorge Semprun, aus dem Französischen von Eva Moldenhauer, Frankfurt 1995 © Gallimard, Suhrkamp Verlag
- Einsam war ich nie von Lutz van Dijk (unter Mitarbeit von Günter Grau), Berlin 2003 © Querverlag
Autorin, Publizistin: Carolin Emcke
Autorin, Journalistin: Lena Gorelik
Schauspielerin, Filmemacherin, Autorin: Maryam Zaree
Moderation: Daniel Graf
Sonntag, 20.11.2022
Volkshaus
Fiston Mwanza Mujila: Tanz der Teufel
Fiston Mwanza Mujila komponiert seine Texte wie ein Jazzmusiker und Saxophonist, so der Autor über sein eigenes Schreiben. In seinem neuesten Roman lässt er nun verschiedene Protagonist*innen aus aller Welt den Tanz der Teufel tanzen: Strassenjungs, einen portugiesischen Lehrer, eine Meerjungfrau, Soldaten. Sie gehen zwischen Angola und dem Kongo mal einem Abgrund entlang, mal einem individuellen (aber eigentlich strukturellen) Schicksal entgegen. Schillernd, virtuos und mit dem Prix Les Afriques 2021 ausgezeichnet, erzählt Tanz der Teufel (Hanser Literaturverlage, 2022) von Kolonialisierung, Globalisierung, Raubbau und Bürgerkrieg. Der Roman wird immer wieder von der Musik zusammengehalten, die den Rhythmus vorgibt.
Autor: Fiston Mwanza Mujila
Moderation: Henri Michel Yéré
Volkshaus
Frauen, Krieg, Migration
50 Prozent der Migrant*innen in der Schweiz sind Frauen. Sie migrieren aus unterschiedlichsten Gründen, geschlechtsspezifische Diskriminierungen im Herkunftsland können mit ein Grund sein. Frauen, ob auf der Flucht oder aus anderen Gründen migrierend, sind unterwegs und im Zielland verstärkt (sexualisierter) Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt. Darüber hinaus werfen Krieg und bewaffnete Konflikte Gleichberechtigungsbestrebungen in den betroffenen Gebieten oft für Jahrzehnte zurück. Wie wirken sich Migration, Flucht und Krieg in spezifischer Weise auf Frauen aus? Darüber spricht Hannan Salamat mit der ukrainischen Autorin Eugenia Senik, mit der Migrationssoziologin Bilgin Ayata und mit Lina Rasheed von der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ).
Wissenschaftlerin: Bilgin Ayata
Juristin: Lina Rasheed
Autorin: Eugenia Senik
Moderation: Hannan Salamat
Volkshaus
Laurie Penny: Sexuelle Revolution
Sexuelle Revolution (Nautilus Flugschrift, 2022) ist das achte Buch von Journalist*in, Buch- und Drehbuchautor*in Laurie Penny. Die gegenwärtige sexuelle Revolution beginnt für Penny überall dort, wo Frauen, queere, nichtbinäre und trans Personen – vor allem jene, die nicht der weissen Mehrheitsgesellschaft angehören – nicht mehr bereit sind, ihren Körper als den Besitz anderer Personen zu begreifen. Penny wirft einen Blick auf die Krise der weissen Männlichkeit und zeigt auf, was die Angst vor Machtverlust damit zu tun hat. Gefordert wird eine radikale Kultur des Consent, die weit über Sex hinausgeht: auch Arbeitsverhältnisse und politische Prozesse sollen zu einer Logik des fortlaufend ausgehandelten Einvernehmens finden.
Die Moderatorin Lisa Christ ist leider kurzfristig erkrankt. Neu übernimmt Franca Schaad die Moderation der Veranstaltung.
Radio X Interview mit Laurie Penny:
Autor*in: Laurie Penny
Moderation: Franca Schaad